Die Hamburger Zahlen 2014

Erste Nüchternheit setzt ein. Wir haben innerhalb von acht Monaten den zweiten Wahlkampf bestritten und es bleibt die Frage, was geleistet wurde, wie es um die Partei empirisch steht und was man besser machen könnte. Zum letzten Wahlkampf hatte ich ebenfalls eine Analyse verfasst, in diesem Blogpost soll es diesmal hauptsächlich um Zahlen gehen.

Hamburgweit haben wir Piraten ca. 17.142 Menschen von der Wahl unserer Bezirkslisten überzeugt. Dies sind bei einer Wahlbeteiligung von lediglich 39,8% immerhin 3,1% für die Piraten. Leider schwanken unsere lokalen Ergebnisse zwischen 1,9% in Wandsbek und 4,4% in Hamburg-Mitte, so dass nur in die Bezirksversammlung Mitte (Gerhold und Thürnagel) sowie in die Bezirksversammlung Nord (Olszewski und Pöstinger) jeweils zwei Abgeordnete einziehen. Schuld hieran ist die von uns erst weggeklagte 3%-Hürde, die sich SPD, CDU und Grüne daraufhin kurzerhand in die Verfassung geschrieben haben. Wir wären sonst in jedem Bezirk mit Abgeordneten vertreten.

Die wenigen Stimmen, die wir für unsere Wahlkreiskandidaten eingesammelt haben, sind mit 10761 x 5 (1,8%) hamburgweit nicht verwunderlich: Wir konnten nur 20 von 54 Wahlkreisen mit Kandidaten bestücken, da uns vielerorts die kritische Masse von 3 Teilnehmern für die geheime Wahl auf den Aufstellungsversammlungen fehlten.

Die Europawahl war bei uns in Hamburg nicht mit Plakaten präsent, da wir hierzu keine Mittel über hatten. Dies wurde auch früh in Richtung andere Bundesländer und Bund kommuniziert, konnte aber leider nicht kompensiert werden. So beruhte unser Europawahlkampf auf Kaperbriefe flyern, recycleten Bundestagsplakaten, etwas Podien- und Medienarbeit und der Bezirkswahl als Zugpferd. Letztlich konnten wir 12.273 (2,2%) Wähler überzeugen. Auch wenn die Wahlbeteiligung bei der Europawahl (43,4%) im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 (70,3%) geringer ausfiel, ist die Halbierung der Wähler von 24.505 im September 2013 auf besagte 12.273 eine signifikante Abweichung. Im Bezirk Mitte (der nicht ganz deckungsgleich mit dem Wahlkreis zur Bundestagswahl ist) hat in absoluten Zahlen nur weniger als die Hälfte (2.835) der Wähler zur Bundestagswahl (6.442) die Piraten als Partei gewählt. Im Bezirk Nord sind es ein Fünftel weniger, dort konnte aber bei der Bezirkswahl immerhin die gleiche Anzahl Menschen (ca. 3.500) wie zu Bundestagswahl von uns überzeugt werden. Der Einbruch der Wahlbeteiligung in der ehemaligen Hochburg Hamburg-Mitte auf 31,2% (Bezirk) bis 34,6% (Europawahl) ist sehr schmerzhaft.

Der Fokus auf eine der beiden Wahlen war für uns Hamburger Pragmatik, das Zugpferd Bezirkswahl aber personell viel zu schwach in der Mehrzahl der Bezirke, so dass wir Europa nicht wirklich rausreißen konnten. Aufgrund des dezenten Europawahlkampfes in Hamburg kann man bei den 2,2 Prozent / 12.273 Stimmen also von einer Art Stammwählerschaft ausgehen.

Diese wohnt anhand der Europawahl derzeit zu 14% in Altona (1.774 Kreuze), zu 4,7% in Bergedorf (578 Kreuze), zu 16% in Eimsbüttel (1.977 Kreuze), zu 17% in Hamburg-Mitte (2.033 Kreuze), zu 23% in Hamburg-Nord (2.835 Kreuze), zu 7% in Harburg (828 Kreuze) und zu 18% in Wandsbek (2.248 Kreuze).

Diese Zahlen sind derzeit die untere Grenze. Die Bezirksergebnisse liegen im Schnitt darüber, besonders in Stadtteilen, in denen aktiv gearbeitet wurde. Zur nächsten Bürgerschaftswahl sollten diese Realitäten jedoch nüchtern berücksichtigt werden. Wandsbek bleibt weiterhin völlig unterschätzt, was uns zum Teil durch Hilferufe und Bedauern, dass wir dort vielerorts keine Plakate oder sonstige Aktivität vorweisen konnten, immer wieder schmerzhaft bewusst wurde. Mitte wird nicht mehr unser Stimmenlieferant sein, liegt auf einem Niveau mit Altona und Eimsbüttel und hat nur durch die miserable Wahlbeteiligung im Bezirk ein prozentual passables Ergebnis erreicht.

Bei der Bundestagswahl und der dort üblichen Wahlbeteiligung hätten wir über 40.000 Stimmen für die 5% in Hamburg benötigt. Bei der jetzigen Bezirkswahl mit sehr geringer Wahlbeteiligung knapp 30.000 Wähler, die uns 5 Stimmen hätten geben müssen, um 5% zu erreichen. Zur Bürgerschaftswahl wird die Wahrheit wohl in der Mitte liegen. Unsere derzeit 17142 Wähler, die uns lokal in den Hamburger Versammlungen haben wollten, müssen wir bis 2015 verdoppeln. Hierfür brauchen wir meiner Meinung nach neue Persönlichkeiten, die im medialen und politischen Leben dieser Stadt eine Berechtigung haben. Diese müssten wir entgegen dem Pfründedenken und gegen alte Widerstände bereits jetzt unegoistisch und selbstlos schonend bis Frühjahr 2015 aufbauen.

Bisher wurden die Versuche, in Hamburg echte Politik zu machen, von alten Kadern leider immer wieder weggebissen. Dies stimmt mich für die Zukunft nicht unbedingt optimistisch. Eine erfolgreiche Gefahrengebietsvolksinitiative kurz vor der Bezirkswahl wäre ein echter Hammer – auch medial – gewesen, wurde aber in diesem Landesverband gnadenlos auf allen Ebenen in Grund und Boden gefickt, bis von der Motivation aller ein Häufchen Elend blieb. Dies alles hauptsächlich deshalb, da neue Gesichter aktiv wurden und die alten Nasen nicht mehr um Erlaubnis fragten oder ihnen nicht wie üblich als Lakaien eine Bühne boten. Das war purer Neid und Missgunst, bei einigen sogar der Vorsatz, dass unter dem gewechselten Vorstand kein Erfolg mehr möglich sein dürfe. Eine Person wurde in dieser Auseinandersetzung regelrecht vernichtet. Eine weitere Hoffnung auf wachsende Persönlichkeiten, die geopfert, ein weiteres Talent, das vertrieben wurde.

Ich hoffe, unsere vier neuen Abgeordneten können durch ihre Arbeit noch ein zwei Akzente setzen oder zumindest unsere Stammwähler als exemplarische Abgeordnete für 2015 überzeugen. Ich hoffe, dass sie in ihrem Umfeld interessierte Bürger und Fachleute einbinden und ein zwei Juwelen für uns Piraten als Bürgerschaftskandidaten schleifen. Wir haben nun ähnlich lange Zeit bis zur nächsten Wahl am 15. Februar 2015 wie zuvor. Wir haben wieder einen Winterwahlkampf, wie bei dem Referendum gegen die 3%-Hürde und das Loch zwischen Weihnachten und Sylvester wird es medial unpräsenten Parteien sehr schwer machen, in die Bürgerschaft einzuziehen. Bis dahin brauchen wir neue Gesichter, neue Themenvertreter, die wir aufbauen und doppelt soviel Reichweite/Stimmen wie bei der jetzigen Wahl, zudem überhaupt die Motivation, unsere Kandidaten und unser Programm als Basis zu unterstützen – was dieses Jahr aus Gründen nur vereinzelt der Fall war. Es wird bei uns erneut Menschen geben, die dieses lieber verhindern, als sich dem gemeinsamen Erfolg der Piraten unterzuordnen. Die alten Schatten legen sich schon längst wieder über den Landesverband und wollen nur sich selbst. Wir werden sehen.

Durch die zwei parallelen Wahlen mit insgesamt 3 Stimmzetteln gibt es noch ein weiteres interessantes empirisches Detail: 37.184 Stimmzettel und damit potenziell 185920 Stimmen waren bei der Bezirkswahl ungültig. Bei den Bezirkslisten-Wahlzetteln waren es 3,1% der Zettel, die wegfielen, bei den Wahlkreislisten-Wahlzetteln sogar 3,5%. Wer meint, dies seien Nichtwähler oder Protestentwertungen des Wahlzettels, der sieht bei der Europawahl (ein Zettel, eine Stimme) nur ein Grundrauschen von 1% ungültigen. Das komplizierte Wahlsystem mit Personenstimmen hat also den Ausfall von Stimmen ungefähr verdreifacht. Neben der niedrigen Wahlbeteiligung ein weiterer unschöner Aspekt dieser Wahl und für eine Partei, die auf jede Stimme angewiesen ist, in dieser Höhe durchaus bedrohlich.

Für die Bürgerschaft gilt das gleiche Wahlsystem. Vielleicht war diese Wahl eine gute erste Übung. Unseren neuen 20.000 Wählern bis 2015 müssen wir das Wählen in Hamburg aber noch beibringen – ob als Wechsel- oder Erstwähler.

Soweit.

P

Freiheit statt Angst in Hamburg

Die Piratenpartei Hamburg ruft zur Demonstration gegen Überwachung auf. Mit unseren Mitstreitern im ‚Hamburger Bündnis gegen Überwachung‘ treffen wir uns zur ‚Freiheit statt Angst‘ am 17. Mai um 14 Uhr auf dem Rathausmarkt, um unsere Kritik an einer Kultur der Angst in diesem Land aufrecht zu erhalten. Während Merkel zu gleichen Zeit am Hamburger Fischmarkt wortreich über ihre Versäumnisse gegenüber den Geheimdiensten schweigt und den faktischen Überwachungsstaat als Land der Freiheit lobt, werden wir durch die Stadt ziehen und für eine Kultur ohne massenhafte, unbegründete und dauerhafte Verdächtigung eintreten.

Dieses Land wird nicht zur Normalität zurückkehren, wenn wir Menschen weiter wie potenzielle Straftäter behandeln. Hamburg hat den Zustand der anlasslosen Überwachung am eigenen Leibe erlebt: Mit Racial Profiling in der Innenstadt, mit willkürlichen Gefahrengebieten und Polizeikesseln an jeder Straßenecke, mit der Befürchtung, wegen einer harmlosen Klobürste kontrolliert und aktenkundig zu werden. Doch wir lassen uns nicht einschüchtern und treten an diesem Samstag nicht nur anonym, sondern weil es sein muss auch stolz und offen für unsere Rechte ein. Wir wissen um die staatstragende Gleichgültigkeit von CDU und SPD gegenüber den Menschen in diesem Land und auch außerhalb Europas Grenzen: Sie haben die Freiheit des Menschen längst als Opfer der Staatsraison über Bord geworfen.

Und deshalb danke ich dem AK Vorrat Hamburg für seine Initiative, dem Chaos Computer Club mit seinem Vorsitzenden für sein treibendes Engagement und den anderen Bündnispartnern für ihre Treue in der Sache. Ich hoffe, ich sehe euch alle am kommenden Samstag zahlreich auf der Straße. Auch die Volksinitiative gegen Gefahrengebiete wird dort Unterschriften sammeln, um die Hamburger Bürgerschaft endlich zu einem Umdenken zu zwingen.

Überwachung stoppen!

Gefahrengebiete abschaffen!

Kommt zahlreich und bringt eure Freunde mit!

 

Unsere Bündnispartner:

  • Chaos Computer Club, Hamburg
  • Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Hamburg
  • Anonymous, Hamburg
  • Digitale Gesellschaft e.V.
  • Digitalcourage e.V.
  • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF e.V.) Hamburg
  • Fachschaftsrat Informatik, Uni Hamburg
  • Mehr Demokratie e.V. LV Hamburg
  • Deutsche Journalisten Union, Hamburg
  • Aktionsbündnis Stoppt die e-card
  • Initiative Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung
  • Humanistische Union – Landesverband Hamburg
  • Die Linke, Hamburg
  • Bündnis 90 / Die Grünen, Hamburg
  • Junge Piraten, Hamburg
  • Grüne Jugend, Hamburg
  • FDP Landesverband Hamburg
  • Junge Liberale Hamburg

 

Demoroute:

Rathausmarkt -> um die Alster -> Mönckebergstraße -> Rathausmarkt

Demoaufruf des Bündnisses.

Pressemitteilung des Bündnisses.

Audioaufrufe zur Demo:

Dodger vom CCC.

Lars Westphal, Vorstand Piratenpartei Hamburg-Mitte.

Andreas Gerhold, Fraktionsvorsitzender Hamburg-Mitte.

Thomas Michel, Orgateam ‚Freiheit statt Angst‘.