Ich trete zurück, einen Schritt

Nicht aufgrund des aBPTs am Wochenende, nicht aufgrund von Ereignissen in Hamburg. Es gibt Standpunkte zu revidieren, eigene Handlungen einzuordnen, Einschätzungen neu zu justieren.

Ich wollte Hamburg immer öffnen, den Austausch mit anderen Verbänden, der Bundespresse, dem Bundesvorstand erhöhen, dort verlässliche und ausdrücklich vertrauensvolle Kommunikation aufbauen. Ich habe mir davon immer einen Mehrwert versprochen, weil ich weiß, dass Menschen Dinge aus Gründen tun, die man lieber schnell versteht. Zudem hätte man bei mir immer Einblicke und Ratschläge bekommen, wie die Aktiven in Hamburg gerade ticken.

Und nun muss ich feststellen, dass wir für diese elementare Aufgabe zu wenige Leute haben – geschweige denn die Einsicht, wie wichtig Meinungsaustausch für die Qualität dieser Partei ist. Trotz meines eigenen Bestrebens, für alle immer ansprechbar zu sein, kann ich den Reflex anderer verstehen, dass die Untergliederungen des Bundes einfach nur ihre Ruhe haben wollen. Ihre Arbeit ist lokal, vor Ort machen sie ihre Politik und mit Themen auf Bundesebene verbinden sie in letzter Zeit vor allem Gates und unkontrollierbare Eskalationen.

Die Idee der Arbeitsteilung hat auch in Hamburg bereits zu dem Vorwurf Richtung Bundesvorstand geführt, dass dort Dinge nicht erledigt werden, um die wir uns in Hamburg einfach nicht kümmern wollen. Ich glaube nicht daran, dass sich diese Haltung ändern wird. Ich bin mir inzwischen nicht mehr sicher, ob es klug – und noch wichtiger: mit Effekt – wäre, wenn Hamburg die Zeit seiner Aktiven in die Bundesvernetzung investiert. Wir haben eine Volksinitiative gegen Gefahrengebiete mit Deadline vor der Brust, wir müssen Aufstellungsversammlungen und Wahlkampf für die Bürgerschaftswahl Februar 2015 organisieren und vor Ort dafür extrem mobilisieren.

Zu dem nachvollziehbaren professionellen Wunsch, dass wir den Austausch zwischen den Gliederungen institutionalisieren gehört eine zweite Analyse. Ich behaupte jetzt mal selbstbewusst, dass sich ein Gespräch mit mir für mich und andere immer lohnt. Ich bin nun zwei Jahre in dieser Partei, habe Bezirksdinge gemacht, habe versucht Neulinge einzubinden, Awareness für die Hürden und den gelegentlich unmenschlichen Gegenwind für schwächere Mitglieder aufzubauen, zu intervenieren, habe den Bundestagswahlkampf als tragende Säule mitgemacht, dort Wahlkampfevents moderiert, beim Straßenwahlkampf vorgetanzt, Vortragsreihen organisiert, war daraufhin im Landesvorstand, habe dort die Öffnung Hamburgs versucht voranzutreiben, indem wir z.B. überhaupt wieder bei Bundespressetreffen teilnehmen, ich für Anita immer ansprechbar war, so wie sie für mich auch, ich habe bei allen Touristenwellen zu #hh2112, #30c3, #Gefahrengebiet immer versucht, meine Rolle als Gastgeber zu spielen. Trotzdem kenne ich gefühlt keinen Menschen in dieser Partei und ich behaupte hiermit, dass es umgekehrt von anderer Seite auch nie ein Interesse gab, neue Menschen kennenzulernen. Ich finde dies immer wieder erschreckend.

Ich bin also ein Niemand und war damit auch immer zufrieden, da es nicht um mich ging und ich mich umso freier bewegen konnte. Bei allem anderen, wo es nicht um mich ging, sprich bei allem was ich für die Partei gemacht habe, ist dies nach zwei Jahren extrem problematisch und wohl symptomatisch für die kommunikative Großwetterlage in dieser angeblich basisdemokratischen Partei. Es herrscht wohl der Glaube vor, dass alle Haltungen, Argumente und Erkenntnisse längst in Altpiraten repräsentiert und wiedergespiegelt würden. Auch am Wochenende habe ich eine solche Arroganz der Macht erneut gespürt, persönlich erlebt und ich bin noch nicht mal Basis, sondern war quasi der Vertreter des Hamburger LaVos vor Ort. Eine Kommunikation, die nur auf der machtpolitischen Relevanz oder Prominenz des Gegenübers aufbaut, widert mich an. Natürlich mögen auch hier zeitökonomische Gründe eine Rolle spielen, aber in einer solchen Mitmachpartei werde ich in Zukunft nicht mehr sein. Sie glaubt nicht mal an ihre Grundlage.

Deshalb meine Kehrtwende: Horcht lieber wieder nach unten, baut Menschen auf, dass sie tragen wollen, nicht weil ihr euch einen eigenen Vorteil davon versprecht, oder sie der gleichen Ansicht sind wie ihr, sondern weil sie eigenständig politisch sein wollen in diesem kaputten Land, das wie wir an seinen abgehobenen Eliten sterben wird. Tretet zurück und seid etwas anderes. Wir älteren Piraten haben soziale Infrastruktur zu sein, nicht Entscheider, nicht das letzte Wort in Debatten. Sonst ist das Projekt einer neuartigen Partei tot.

Ich sehe den Fokus des neuen Bundesvorstandes auf ein Mitspracherecht samt ¾-Veto für die Landesverbände in dieser Hinsicht eher kritisch, da die Kommunikation die falsche Richtung geht. Wir sollten nicht nach oben gucken und Ressourcen für dauernde Review-Debatten bei BuVo-Beschlüssen verschwenden. Dies lähmt uns, nimmt uns Planungssicherheit und institutionalisiert ein Misstrauen. Ich will eher umgekehrt Plausibilierung und einen fragenden Stil nach unten. Natürlich muss der BuVo im Tagesgeschäft und in der Pressearbeit handeln können und Entscheidungen fällen: Dafür wurde er gewählt. Hier reicht mir eine Kontinuität mit dem jetzigen Team aus Anita und Vanessa in der Pressearbeit, da sie für die Hamburger Eigenheiten sensibilisiert sind und sie im Zweifel immer bei uns anfragen. Sie werden ihrer Aufgabe als soziale Infrastruktur bereits gerecht. Solch Professionalität sähe ich gerne im Buvo – ohne dass ich das als LaVo per Veto nachträglich kontrollieren soll.

Holt euch Rat bitte vorher, nicht nachher und schafft dadurch ein vertrauensvolles Umfeld, in dem ihr arbeiten könnt. Dass dieser Rat nicht bei Twittergranden, sondern bei gewählten Landesvorständen gesucht wird, dagegen habe ich nichts einzuwenden und dies würde auch eine Verbesserung gegenüber dem letzten Bundesvorstand darstellen.

Es darf bei einem Austausch zwischen Landesvorständen zudem nicht darum gehen, dass sich wichtige Leute treffen, sich wichtig finden und daraus Legitimität ableiten: Es geht darum, dass Dinge getan werden, weil das Handeln nicht nur wenigen Personen plausibel ist. Die eigene Peergroup scheidet hier als Referenz übrigens aus, genauso die Personen des Orgastreiks, sollten sie für sich erneut mehr Relevanz als ein Basismitglied beanspruchen. Ich vermute, dies wird die größte Herausforderung für die Personen des neuen BuVos. Vertrauen ist kein Switch, den man umlegen kann, sondern es wächst mit Zurückhaltung, noch unvollendeten Tatsachen und Fairness. Ich hoffe, es wird in dieser Hinsicht gut beraten.

Ich meinerseits werde ab nächsten Sonntag kein Teil des Hamburger Landesvorstandes mehr sein. Aber auch mit Amt würde ich mit dieser Mahnung wieder niemanden erreichen. In der Regel dauert es zwei drei Monate, bis ich meine Gedanken in den Beiträgen anderer wiederfinde. ich weiß zumindest: Es liegt an euch. Nix mea culpa.

Tschüss

PS.: Bei der derzeitigen Ämterkumulation im Buvo ist ein Länderveto sowieso eine Farce. ;)

2 Gedanken zu „Ich trete zurück, einen Schritt

  1. Du siehst das Problem, aber nicht den Grund. Ich glaube, wir müssen Vorstände mehr Dinge tun lassen, ohne sie live und in Farbe dabei zu kontrollieren. Man muss sich auch mal im kleinen Kreis austauschen können, ohne dass gleich überall Klüngelei gewittert wird. Dazu mehr Integration der Gewählten (z.B. BzVo in LaVo, LaVo in BuVo und auch Abgeordnete in den entsprechenden Vorständen) und _hinterher_ eine vernünftige und transparente Darstellung hilft viel. Zur Zeit muss sich jeder mit allem befassen. Das kann nicht klappen. „Teile und Herrsche“ ist nicht in jedem Fall schlecht.

    • Da gebe ich Dir recht. Dies war durchaus ein Plädoyer für mehr Arbeitsteilung. Meine Befürchtung ist, dass dieses Veto-Ding mehr schlafende Hunde weckt, als sie zu befrieden. Und man will auch nicht von 15 Landesverbänden die ganze Zeit auf Bundesangelegenheiten angesprochen werden, falls einem mal ein Beschluss nicht passt. Dies raubt uns u.U. eine ganze Menge Lebenszeit.

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