Das Ende des Pluralismus

Es gab mal eine schöne Phantasie, die sich „Pluralismus“ nannte. Ihre Annahme war es, dass eine Gesellschaft und das politische Leben von unterschiedlichen Gruppen, Haltungen und Reflexionsebenen geprägt sei, die nebeneinander existieren können und dürfen. Sie ging davon aus, dass politische Lösungen diese Vielfalt respektieren und als Tatsache einbeziehen. Doch wie die deutsche Philosophin Angela Merkel bereits 2010 vorausschauend anmerkte: „Multikulti ist gescheitert“. Pluralismus ist uncool geworden, vielleicht sogar irgendwas mit Nazis oder Kommunismus.

Immer seltener kann man beobachten, wie jemand mit einer fremden Ansicht umgehen kann, wie politisch interessierte Menschen eine andere Meinung zur Kenntnis nehmen und akzeptieren können. Der Pluralismus als politikwissenschaftliche Theorie definiert ein Zusammenspiel verschiedener Akteure, eine Welt mit unterschiedlichen Interessen und Perspektiven, die Gesellschaft und Politik aushandeln, ohne dass dabei das Existenzrecht der anderen bezweifelt wird. Er bedeutet die Toleranz und Akzeptanz von Stakeholdern als unsere gesellschaftliche Realität.

Ein Pluralist konsultiert Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, Kulturschaffende und Kapitalisten, Konservative und Progressive, ohne seine eigene Persönlichkeit und Haltung in dieser konkurrierenden Umwelt zu gefährden. Problemlösung ist für ihn letztlich etwas Dialogisches und Integrierendes, zumindest etwas Tolerierendes und nicht die Ausgrenzung und Vernichtung anderer Gruppen mit anderen Meinungen und anderen Interessen.

Doch im heutigen Deutschland gilt man nur noch als politisch, wenn man unversöhnlich ist. Im Netzdiskurs dominieren leider Sippenhaft, Kontaktsperren und Dialogängste. Eine dauernde Gesinnungsinquisition und krude Sprachvorschriften kulminieren in Hasstiraden, vernichten immer häufiger die Basis für ein pluralistisch geprägtes Gespräch und für eine pragmatische, schlichtende Problemlösung mit Beteiligten. Die Idee einer pluralistischen Gesellschaft ist tot. Sie wurde durch den Wunsch nach einer totalen Dominanz der eigenen Ansicht ersetzt.

Den Ursprung dieses neuen Mikro-Absolutismus erklärt die Philosophin Angela Merkel mit folgenden Worten: Ihre Politik sei ‚alternativlos‘. Die Gedankenwelt dieser großen Visionärin hat unsere Kultur geprägt und augenscheinlich folgen wir ihr weiterhin gerne.

Olympia in Hamburg – ein mehr-demokratisches Spektakel

tl;dr: Auch ein Referendum kann Politikverdrossenheit provozieren, in Hamburg soll es das sogar.

Bald wird wieder das Volk gefragt. Ein neues Hamburger Gesetz ermöglicht Referenden aus der Bürgerschaft heraus, denn unsere Vertreter und das Internationale Olympische Komitee (IOC) wollen für die Folgen des Großprojekts Olympia 2024 lieber keine Verantwortung tragen und lassen nun darüber abstimmen. Zur gleichen Zeit werben die Parteien offen für eine Olympia-Bewerbung und nutzen dafür auch ungeniert städtische Ressourcen. In Hamburg entwickelt sich derzeit ein riesiges, leider nur vordergründig mehrdemokratisches Spektakel. Weiterlesen

Kultur ist für mich…

…fragil. Ich würde sie gerne als anthropologische Konstante definieren, befürchte aber, sie ist eher eine bedrohte Art und ein bedrohtes Miteinander. Sie benötigt Förderung, um zu überleben und sie braucht Freiräume, um stattzufinden. Beide Aspekte waren in Hamburg immer schon politisch.

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