Eine Debatte um Häme und Spott als Stilmittel ist dringend nötig. Sie waren immer schon ein wesentlicher Teil der Kommunikation im Netz, blieben aber in den hitzigen Auseinandersetzungen regelmäßig unhinterfragt. Nun macht man sich über das Bildungsniveau und die Rechtschreibfehler rechter Kommentatoren lustig und einige etwas reflektiertere Menschen fragen sich, ob dies wirklich angemessen oder schlau ist.
Aus rein rhetorischer Sicht muss man leider feststellen, dass jede Seite einer Auseinandersetzung Häme und Spott nutzen kann: Aus den rhetorischen Mitteln allein lässt sich keine Überlegenheit oder gar Wahrheit ableiten. Diese Erkenntnis reift im eher affektiven Netz nur langsam. Immerhin gibt es nun zwei drei Beiträge, die mir positiv aufgefallen sind und die sich des Themas annehmen. (Hinweise auf weitere spannende Texte bitte als Kommentar ergänzen.)
Sehr erfrischend fand ich zum Beispiel den Beitrag von Mishaanouk, der für sich weiterhin in Anspruch nimmt, gegenüber Personen und Gruppen erniedrigend handeln zu dürfen. Er begründet dies sehr menschlich und nicht etwa als zielführende Heldentat: Er selbst könne all die Meldungen nicht mehr ertragen und Häme und Spott seien lediglich Ausdruck einer Hilflosigkeit und Verzweiflung und der sehr persönliche Versuch, das Unerträgliche humorvoll zu verarbeiten. Dass es gerade unsere Ohnmacht ist, die uns nach Überlegenheitsgesten streben lässt, ist eine interessante These. Aber legitimiert sie die Erniedrigung in einer Auseinandersetzung?
Robin meint, dass wir mit solch „herabwürdigend elitärem“ Verhalten ebenfalls eine Art ‚gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit’ praktizieren würden – die er noch mal erhellend als den sozialogischen Oberbegriff für Antisemitismus, Homophobie, Ausländerfeindlichkeit, Sexismus, etc. in die Debatte einführt. Für ihn ist die Stigmatisierung von Menschen mit geringer Bildung keine Lösung, sondern ein Teil zukünftiger Probleme und kommender Eskalation. Er fordert, dass wir die Verunsicherten in diesem Land nicht selbstherrlich ausgrenzen und damit weiter in die Arme von Nazis und menschenverachtenden Ideologien treiben.
Aber was bedeutet ‚Dummheit’ überhaupt? Zoë fragt sich in einem sehr lesenswerten Beitrag, ob man mit dem Urteil ‚dumm’ nicht oft viel zu kurz greift. Auch wenn ich als Leser zunächst befürchtet habe, dass sie mit „diese Menschen“ ein homogenes Feindbild aufbaut, belegt sie mit ihrer Erzählung, wie sehr sie versucht, einzelne rechte Menschen zu verstehen und mit ihnen zu kommunizieren. Um ihnen näher zu kommen, hat sie ihrerseits auf Beleidigungen im Gespräch/Chat zunächst verzichtet und charakterisiert in ihren Anekdoten einige zeitgenössische Formen von Rassismus. Sie kommt zu der Vermutung, Nationalismus sei wohlmöglich die ‚letztmögliche Identifikationsebene’ für Enttäuschte, ist aber ratlos, wie man solchen Menschen Empathie beibringen oder mit Logik beikommen könne. Ihr Text endet nicht mit den üblichen ordinären Schmähungen, sondern mit der Aufforderung Karl Poppers, diesem Vordenker der ‚Offenen Gesellschaft’, Intoleranz nicht zu dulden. Sie selbst setzt ihren Nazi-Elektriker vor die Tür.
Sie weist darauf hin, dass der Einspruch in Alltagssituationen immer wichtiger wird und die Artikulation einer aufrechten Haltung gegen rechtes Gedankengut dort nötig ist, wo es uns überhaupt noch persönlich begegnet. Der Spott in einem Tweet wäre hier wohl nur pseudo-heroisch.
Dies sind nur drei kleine Blog-Texte zum Thema, auf die ich kurz hinweisen wollte. Bin gespannt, welche Thesen in Zukunft noch formuliert werden, oder bereits ohne meine Kenntnis verbloggt wurden.
Mein Zwischenfazit:
Spott und Häme sowie stumpfe Beleidigungen sind in vielen Fällen eine Selbstversicherung und bewirken nur diese. Sie überzeugen keine latent Rechten vom Gegenteil, sondern stärken die Ursachen dieser neuen, um sich greifenden Gesinnung: Zum Einen die geringe Geltung und eine gefühlte – und damit leider wirkliche – Erniedrigung im eigenen Lebensumfeld, zum Anderen die sehr geringe Identifikation mit unserer modernen, vielfältigen Gesellschaft, die als fremd, scheinbar ungerecht und in Flüchtlingsfragen als Lokalisierung globaler Probleme wahrgenommen wird, die besonders in der schwachen Provinz und auf dem Dorf viele überfordert. Dieser immer sichtbarer ventilierende Minderwertigkeitskomplex und der individuelle Kontrollverlust sind der wahre Nährboden für all die chauvinistischen und nationalistischen Ideologien und dieser wird durch zusätzliche Demütigungen nicht entzogen.
Bedauerlicherweise spiegelt sich der Wunsch nach Überlegenheitsgesten und nach einer identitätsstiftenden Gruppenzugehörigkeit immer häufiger auch auf anderer Seite. Wäre diese tatsächlich „überlegen“, würde sie dies reflektieren und die Dynamik der homogenen Feindbilder und Stigmatisierungen etwas eindämmen. Aber leider machen es sich Überforderte auf allen Seiten derzeit leicht und die Dummheit ist ironischerweise über alle Gruppen hinweg gleich verteilt – auch wenn die ‚richtige Sache’ und die hohe Bildung manchmal darüber hinweg täuschen.
Ich persönlich glaube trotz dieser Stilkritik, dass der Humor und das Lachen weiterhin ein legitimes Mittel sind und dass sie uns Menschen bei der persönlichen Verarbeitung zunächst helfen und Haltungen mittelfristig stärken können – in der Summe hoffentlich etwas häufiger auf der richtigen Seite. Dafür braucht es eine gute Philosophie und mehr Ideen, wie man den latent Rechten die Verunsicherung nimmt und diese nicht weiter erhöht. In letzter Zeit wurde leider hauptsächlich der plumpe Hass gegen Gruppen, bzw. die ‚gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit’ wieder salonfähig. Und dies auch durch prominente Vertreter der eigentlich politisch korrekten Seite, die so durch die Hintertür doch noch zu dem ihnen eigentlich verbotenen chauvinistischen Hochgefühl kommen, während sie andere dafür weiter mit Spott überziehen. Ich hoffe, die Debatte und die Reflexion geht weiter und erreicht letztlich auch diese Menschen.
Ich hoffe, die obigen Blogbeiträge haben dazu inspiriert.